Kunsthaus Orplid


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Bernd Zimmer (Rede von Wolfgang Jean Stock, Besprechungen 1, 2)
Wolfgang Ramadan und Alinde (Text, Besprechungen: 1, 2)
Michael Langer (Text)
Alinde - Offenes Atelier (Rede von Christoph Wiedemann, Texte: 1, 2, 3)
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Alinde - Oktoberfest (Text, Besprechungen: 1, 2)
Künstler aus der Umgebung 2007 (Text)
1. Ickinger Sommerakademie
Heinz Haberkorn, Walter Raum (Text)
Doldinger, Alinde, Engelbrecht (Text)
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Alinde - Engel im Hollerhaus
Künstler aus der Umgebung
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Alinde - Fussballweltmeisterschaft (Text)
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Johannes Dreher
Ibragimow, Doldinger, Haas
www.alinde.de
Inge Doldinger / Alinde Rothenfußer / Maja Engelbrecht

Icking – Wandlung, Verwandlung, ist das Lebensprinzip auf diesem Planeten. „Alles fließt“ formulierte Heraklit 500 vor Christus, der Satz „Per aspera ad astra“, „Von der Erde zu den Sternen“, wird dem römischen Stoiker Seneca zugeschrieben und das „I ging“, „Das Buch der Wandlungen“ erstreckt seine Wurzeln bis weit in die chinesische Frühzeit, längst vor unserer Zeitrechnung. Wandlung ist auch das Prinzip der Kunst. Man könnte die Kunstgeschichte ebenfalls als ein „Buch der Wandlungen“ betrachten. Kunst heute, das können Spielarten von Fotografie sein, die moderne Medientechnik nutzen darf, wie bisher Zeichenstift und Griffel benutzt wurden, wenn sich dabei Ästhetik, Intensität der geistigen Aussage und der für die Kunst unerlässliche Schuss Geheimnis verbinden. Und es kann Umgang mit „armem Material“ sein, wenn dabei in sich schlüssige Formen entstehen, die den Betrachter wie selbstverständlich zu eigenen Assoziationen führen. Dies alles trifft zu für drei Künstlerinnen, denen die jüngste Ausstellung mit dem Titel „Schein und Sein“ im „Orplid“ in Icking gilt. Es sind Inge Doldinger und Alinde Rothenfußer, von denen großformatige Kunstfotos zu sehen sind, sowie die Bildhauerin Maja Engelbrecht. Alle drei leben im Isartal. Zu Maja Engelbrecht, die seit Jahren nicht mehr ausgestellt hat, ist zu sagen, dass sie zu Beginn der 1960er Jahre drei Semester bei Münchens seinerzeit schon legendärem Professor Kirchner studiert hat und dann nach Berlin zu Professor Uhlmann gegangen war. Danach arbeitete sie in einer Schmiede und Eisen wurde ihr Material und blieb es.
Das Material, aus dem Inge Doldinger die Elemente ihrer Fotogemälde, wie man sie nennen muss, gewinnt, ist der Bergkristall, in dem sich Licht bricht und prismenartig zerlegt wird. Die kristallinen Innenlandschaften – „Gott ist auch im Stein“ ist im Neuen Testament zu lesen - zeigen Szenerien von erstaunlicher Wucht und intensiver Farbigkeit. Vor einem tiefen, offenen und in seiner Farbigkeit meist stillen Bildgrund geschehen Dramen. Scharfkantige Objekte scheinen vom Himmel zu fallen oder werden von der Seite hereingetrieben. Doch zwischen ihnen schweben Wesen von der Zartheit eines Insektenflügels, von diesen machtvollen Auftritten in keiner Weise beeinträchtigt oder geängstigt. Warum auch? Überall ist Licht und Farbe. Strahlende Lichtinseln verheißen, dass es eine andere Welt gibt, und die Farben künden von Lebendigkeit. Allerdings hat auch diese Lebendigkeit ihre zwei oder noch mehr Seiten. Rot und Blau müssen nicht harmlose Lieblingsfarben bleiben, sondern können sich zu einem hexensabbatartigen Violett vermischen und das Grün mag ein Schillern haben, wie es der Vollmond auf dem Schuppenpanzer der Meerjungfrau in den Tiefen des Sees hervorzaubert. Sie sind eben nicht harmlos, diese Bilder aus dem Inneren eines Steins, den unermesslicher Druck in Jahrmillionen geschaffen hat. Sie erzählen viel, von der brachialen Wildheit der Geschichte unseres Planeten und von dunklen, verborgenen Kräften im Menschen. In allen Epochen der Malerei, vor allem in der Gotik und in der Renaissance, hat es Künstler gegeben, die in ihren Bildern von diesen Welten zwischen Nacht und Tag berichteten.
Dagegen mögen die Fotos von Alinde Rothenfußer vergleichsweise sanft wirken. Sie werden nicht herausgeholt aus der Eleganz eines Kristalls. Ihr Ursprung sind der genaue und von tiefem Respekt vor der Schönheit des Zerfalls diktierte Blick auf die Kräfte des Hinsterbens auch von Materie, der Korrosion des Metalls, wenn keine Schutzfarbe mehr das Wasser abhält, das stille Hindämmern des nicht mehr Gebrauchten. Nun darf in großer Selbstverständlichkeit sein was geblieben ist nach dem Kampf: Eine Moorlandschaft in den zart rötlichen Farben eines frühen nebligen Morgens, graue grafische Muster vor einem Hauch von Taubenblau, Schemen großäugiger Tiere im Schattendunkel, die Form eines Kranichs im Flug, umgeben von Linienwerk in Gelb und Orange, zwei Geister mit flatternden weißen Gewändern und mit Vogelköpfen, die miteinander ein stummes Gespräch führen, eine Frauenfigur oder ein Pferdekopf, verweht wie Wolkenstreifen. Vielleicht mag sich auch eine glühende Sonnenkugel zeigen mit blauem Halo oder es stehen vor einer rotgolden schimmernden Kathedrale, die gleichwohl auch eine Wüstendüne im Abendlicht sein kann, kleine graue Menschenfiguren.
Hie und da zwischen den Bildern verteilt haben die Stahlfiguren von Maja Engelbrecht ihren Platz gefunden. Dass es Gitterträger und Armierungsstangen für Betongewerke sind, ist keine Marotte. Sie stehen in dem Familienunternehmen in Geretsried zur Verfügung, Maja Engelbrecht, und das ist wichtig, vergewaltigt das Material nicht, romantisiert es nicht. Sie schweißt es zu strengen, hoheitsvollen Menschenfiguren oder zu mehrdimensionalen, abstrakten Objekten zusammen und lässt ihm das dienliche Schwarz. Wie bei den Fotos gilt auch bei diesen Plastiken: Der Besucher muss sich einlassen, seiner Phantasie freien Raum geben – in schwarzem Gestänge, das in die Luft ragt, vielleicht gar ein Liebespaar sehen. Vielleicht ist eine kurze Reminiszenz an Professor Carl-Friedrich von Weizsäcker erlaubt, der in diesen Tagen starb. Er hatte zeitlebens Kunst, Wissenschaft und Religion als eine Einheit gesehen. In einem seiner Werke findet sich der Satz: „Wäre es möglich, auch in den Gesetzen der Physik einen Abglanz Gottes zu finden?“.

Ingrid Zimmermann