Ausstellung Heinz Haberkorn/ Walter Raum im Orplid Solln Eröffnung Freitag, 22. Juni, 19 Uhr Die Monotypie, eine Drucktechnik, für die Farbe auf glatten Untergrund aufgetragen und noch feucht mit einem Papierbogen oder einem anderen Material abgenommen wird, ist nicht wirklich der Druckgraphik zuzurechnen, denn es entsteht immer ein Original, das nicht mehrfach druckbar ist. Künstler lieben die Monotypie, denn sie bietet vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, mehr als die Malerei, und es muss zudem die Herausforderung der seitenverkehrten Wiedergabe gemeistert werden. Für zwei Maler, Walter Raum und Heinz Haberkorn, beide im Raum Wolfratshausen ansässig, nimmt diese Form des künstlerischen Ausdrucks einen breiten Raum in ihrem Werk ein. In der Galerie Orplid in Solln hat Alinde Rothenfußer die beiden zusammengebracht und bietet damit wiederum eine Ausstellung an, in der sehr unterschiedliche Positionen der Gegenwartskunst zu einem spannungsreichen Gesamtraum zusammengeschmolzen wurden. Zu sehen sind Walter Raums großformatige Variationen zum Thema menschliche Hand und ihren Wirkungsmöglichkeiten, sowie die hochlebendigen Abstraktionen von Heinz Haberkorn, in denen für den, der sich einlassen mag, das gesamte Spektrum des Menschen zwischen Spiel und tiefer, ernster Welterkenntnis sichtbar wird. Walter Raum, 1923 geboren, studierte an den Akademien Nürnberg, Karlsruhe und München und hatte seither zahlreiche, weithin beachtete Ausstellungen. Heinz Haberkorn, 1943 geboren, studierte in den 1960er Jahren in München bei Professor Adolf Hartmann und hatte seit 1985 Ausstellungen im In- und Ausland. Er ist seit 1987 und bis heute Lehrer für Kunst an der Fachhochschule Rosenheim. Walter Raums Hände, je nach Komposition zwei oder eine allein, in der Regel die linke, die der musischen, der rechten, Hirnseite zugehört, sind Hände eines Menschen, der mit seinen langen Fingern und den deutlich herausgearbeiteten Gelenken Erfahrung mit dem Tun hat, aber auch sensibel genug ist, sich abwehrend gegen das schändliche Tun zu stellen. Mit seinen Händen hat der Mensch den Stacheldraht geschaffen, hinter den heute auf der ganzen Welt Kain seinen Bruder Abel wegsperrt. Doch die Zeilen des Stacheldrahts, in einer der Arbeiten durch feine Schraffuren zum Vibrieren gebracht, können sich bei Walter Raum verwandeln in Zeilen aus Relikten niedergeschriebener Wörter, die jedoch, und dann kommt als Element eine eher virtuelle Wand aus nicht weniger einengenden parallelen Linien hinzu, ebenfalls wieder in das nun subtilere Wegsperren des jeweils Andersdenkenden führen mögen. Walter Raum arbeitet mit zart getönten Bildgründen, seine Formen, die Hände und das, was er ihnen als Aktionsfeld mitgibt, werden in kräftigem Schwarz auf die Platte aufgetragen. Dann erfolgt eine Übermalung, möglicherweise nur in Forme eines dominanten schwarzen Flecks, dessen Ränder nach außen abstrahlen, als sei hier eine Detonation passiert. Man mag darin Auslöschung oder Beginn neuen Lebens sehen. Die eine Hand mag von links unten oder aus der Mitte in die Zeilen des Bildgeschehens eingreifen, die beiden Hände können sowohl abwehren wie schützen. Sie wehren ab in einer Arbeit, in der ein schwarzer Berg mit einer Art dunkel orangeroter Aura fast den gesamten Bildgrund einnimmt, und sie schützen eine Form, die gleichermaßen ein Kopf , eine Knospe oder eine Frucht sein kann. Der Stacheldraht, nun schon in Auflösung zur Schrift hin begriffen, ist auch in dieser Form präsent. Neben der strengen Choreographie der Raumschen Arbeiten gerät der Betrachter bei Heinz Haberkorn in einen farbigen Tanz der Sinne, von dem er sich zunächst gefangen nehmen lassen darf, ehe die Vieldimensionalität dieser nur scheinbaren, nicht wirklichen Abstraktionen immer deutlicher wahrnehmbar wird. Auch hier lässt sich ein System ausmachen, aber von völlig anderer Art. Es geht in der Tiefe um die Antipoden Ruhe und Bewegung. Haberkorn setzt feine, wie fließende Felder von sehr sensibler und von Bild zu Bild wechselnder Farbigkeit. Davor setzt er Figuren, Linien, Punkte in Schwarz, die in Interaktion stehen und gemeinsam eine Geschichte darstellen, vielleicht ein Märchen, vielleicht ein Drama: Mensch mit Mensch, Mensch mit Pflanze, die selber fast ein Mensch ist, Mensch mit Tier, das sich jedoch oft nur als Schemen zeigt. Genaue Figürlichkeit braucht hier keine Rolle zu spielen. Der Pinselstrich, oft ausgefranst und damit rätselvoll pulsierend, lässt ausreichend Assoziationen zu. Der Betrachter muss nur seine Phantasie spielen lassen. Die Farbfelder, meist zart und pastellig, dem Wasser und seinen Tönungen verwandt, geben das emotionale Grundthema vor: Seele, sei ruhig, alles wird gut, mag es vordergründig auch laut sein! Aber so einfach wird man als Betrachter dann doch nicht entlassen. Nun sind da zwei Arbeiten nur in kräftigen Rot- und Blautönen, da springt der Hintergrund, jetzt selbst Gestalt geworden, nach vorne und mischt mit: Violette Dynamik pur ist angesagt bis tief hinein in den Bildgrund. Auch in einigen anderen Arbeiten verschränken sich Vordergrund und Hintergrund, bilden gemeinsam ein lebendiges Gebäude, in dem die Formen der Farben eine Rolle spielen als kichernde, koboldische Anheizer, die Farben selbst aber still bleiben - ein winziges Fragment von Gottes ewigem Sein. Geöffnet bis 27. Juli werktags von 9 bis 18 Uhr. INGRID ZIMMERMANN |