Meine sehr verehrten Damen und Herren Sie alle hier haben höchstwahrscheinlich in der Vergangenheit schon die ein oder andere Ausstellung entweder hier in Solln oder draußen in Icking besucht und gesehen. Sie wurden soweit ich mich erinnere – fast immer wie ausgelassene Feste begangen. Es ging natürlich um Kunst, die von Alinde, oder auch die ausgesuchter Künstlerkollegen. Ganz wichtig war dabei aber doch immer auch das Trommeln für die Sache. Gleichgesinnte zusammenrufen. Reden über Bilder und das Leben. Ein Netzwerk pflegen und erhalten, bei dem es nicht nur um die ganz alltäglichen Dinge geht. Zelebriert wird, so eine Art „Götzendienst am Bild“. In weitgehend spekulationsfreiem Raum wird einfach nur der Kreativität gehuldigt. Leben und leben lassen zu gegenseitigem ideellem Nutzen. So etwas wie die Salonkultur des 19. Jahrhunderts scheint mir da noch entfernt nachzuklingen. Und immer im Zentrum unsere Gastgeberin, geboren im chinesischen Sternzeichen des Drachen, mit der dementsprechenden Energie ausgestattet und allem Anschein nach auch mit der glücksverheißenden Aura des Fabeltieres. „ICH BIN EIN DRACHE“ heißt die Ausstellung. Zu sehen sind 400-500 Bilder, alle entstanden in den zurückliegenden paar Wochen. Eine ziemlich ausufernde Produktion. Überwältigend in ihrer Fülle und trotzdem nie langweilig. Es gibt laufend und von Bild zu Bild immer wieder Neues zu entdecken. Das Erstaunliche dabei: Man erhält Einblick in einen ganz persönlichen Kosmos und der ist ausgebreitet mit scheinbar leichter Hand. Alles ganz einfach. Locker! Wie im Vorübergehen festgehalten und das auch noch mit unglaublichem Mut zur Masse. 500 Bilder in einer Ausstellung könnten einen nämlich durchaus auch erschlagen. Das passiert hier eigenartiger Weise überhaupt nicht. Man durchmisst einen Raum nach dem anderen, wie man sich sonst durch eine Landschaft bewegt. Das Auge ist einer überbordenden Fülle an Eindrücken ausgesetzt. Aber es besteht keinerlei Zwang all die Details minutiös aufzunehmen. Im Gegenteil: Eigentlich ertappt man sich binnen kurzem dabei, wie man in ein genussvolles Selektieren abdriftet. Und das entspricht wohl auch genau dem , wie die Bilder zuvor entstanden sind. Es sind mit Tusche und Pinsel überarbeitete Fotografien. Das bildnerische Rohmaterial stammt von Recyclinghöfen und Schrottplätzen. Irgendwann einmal hat Alinde nämlich die Entdeckung gemacht, dass unser Abfall quasi lebt. Papiere zu Pressballen komprimiert können zu abstrakten Collagen erblühen. Vorausgesetzt man wählt mit der Kamera den richtigen Ausschnitt. Das gleiche gilt für zerbeulte, vom Rost angefressene Containerwände. Man muss nur die Konturen des Zufalls schärfen und hervorheben und schon beginnen die scheinbar unansehnlichen Müllbehälter Geschichten zu erzählen. Eine ebenso einfache wie geniale Operation. Die Bilder liegen förmlich auf der Straße, man muss die nur aufheben in die richtige Perspektive rücken und der Drache speit Feuer. Wir dürfen einer Art Hausbesetzung beiwohnen. Alinde Rothenfußer hat dieses ihr und das ihres Ehegatten Haus mit großem Elan bildlich besetzt. Nach Farben –Rot, Grün, Blau und Erdtöne – sind die einzelnen Räume hier oben geordnet. Wie aus Vexierbildern schälen sich die Geschichten heraus. Man glaubt neben den vielen Fabelwesen und Schimären der Phantasie immer wieder auch Konkreteres entdecken zu können. Formen von Tieren, Menschen, Landschaften tauchen auf. Verschwinden wieder, werden abgelöst durch scheinbar freies abstraktes Fabulieren bis hin zu los gelösten spielerischen Fingerübungen, bei denen Rhythmen und Formen einfach so aufs Papier fließen. Diese neueste Entwicklung ist im Neubau unten im Keller als Dia-Show mit musikalischer Begleitung niedergelegt. Ein fast meditativer Kontrapunkt zum tobenden Pandämonium hier oben. Der chinesische Drache ist nämlich vom Sternzeichen her gesehen auch ein europäischer Zwilling und der sucht sein Glück immer auch in Gegensätzen. Alles, nur nicht langweilig darf es werden. Der Augenblick zählt. O-Ton Rothenfußer: „Was ich gestern gemacht habe, interessiert mich nicht mehr.“ Liebe Frau Rothenfußer bleiben Sie so, bewahren Sie sich Ihre Courage. Eine Institution sind Sie ja bereits und wie alle hier wollen noch lange von ihrer Naturgewalt mitgerissen werden. Allen anderen wünsche ich noch einen genussvoll, anregenden Vormittag. Christoph Wiedemann |