Kunsthaus Orplid


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www.alinde.de
Maler und Bildhauer fotografieren
Orplid Icking vom 21. September bis 28. Oktober

Maler, vor allem auch jene früherer Jahrhunderte, machten sich nicht einfach ans Werk mit dem Pinsel in der Hand. Es galt, einen Ausschnitt festzulegen, eine ganz bestimmte Stelle aus einer Totalen herauszuholen und so eine Bildbotschaft einzukreisen. Willkür war nicht am Platz. Es gab immer und gibt bis heute formale Gesetzmäßigkeiten, Maßverhältnisse der Proportionen, die einzuhalten waren und sind, damit ein Bild als solches empfunden wird, von den Gesetzen der eigentlichen Bildkomposition ganz zu schweigen. Mit Rähmchen aus Holz oder Vorformen des Storchenschnabels zogen die Maler in die Landschaft oder suchten auch den rechten Ausschnitt für ein Stilleben. Heute ist es der Fotoapparat, der solche Aufgaben übernimmt, aber darüber hinaus auch ein eigenständiges Medium für künstlerischen Ausdruck ist. Alinde Rothenfußer, selbst Malerin und Fotografin, fand die Idee reizvoll, die „Künstler der Umgebung“, denen sie seit Jahren Raum für Ausstellungen gibt, nach ihrer fotografischen Ausbeute zu fragen und jeweils eine kleine Auswahl ihrer Werke hinzu zu gesellen. Was dabei herauskam ist eine faszinierende Schau in den Räumen des Orplid in Icking. Faszinierend deshalb, weil sich, was typisches Licht, Farbigkeit, Staffage und Atmosphäre angeht, eine erstaunliche Ähnlichkeit festzustellen ist zwischen dem filmischen Resultat und dem jeweiligen künstlerischen Werk.

Zu sehen sind Fotografien und Bilder, Zeichnungen oder Malerei, von insgesamt 16 Künstlern und Künstlerinnen. In zwei Fällen wurden Ausnahmen gemacht: Inge Doldinger zeigt in einem eigens ihr vorbehaltenen kleinen Raum ausschließlich ihre großformatigen Fotobearbeitungen, raffiniert farbige Abstraktionen, immer wieder aufgebrochen von Straßen aus Licht.
Von dem Bildhauer Lothar Fischer, der vor zwei Jahren starb, werden von ihm selbst aufgenommene Werkfotos gezeigt, die dank einer genialen Lichtführung die Lebendigkeit und gleichzeitig große Klarheit seiner Plastiken aus keramischem Material deutlich machen. Zur Veranschaulichung wurden der Fotoserie 2 Skulpturen des Künstlers beigegeben.
Einen eigenen Raum erhielt auch Walter Tafelmaier. Der Meister einer formal minimalistischen Darstellung, deren verborgene Sinn- und Symbolhaltigkeit jedoch dem Betrachter fast den Atem nimmt, hat mit seiner Kamera Ungewöhnliches, kaum je Beachtetes, festgehalten. Um den Raum zieht sich ein Fries von Schwarzweißabzügen nach den Mustern der unregelmäßig geteerten Seitenstreifen einer Straße in Richtung der norwegischen Lofoten, deren Formationen sich auf diese Weise zu wiederholen scheinen.
Auch Helmut Sturm hat seine Fotomotive unter freiem Himmel gefunden: Aufgetürmte oder achtlos liegen gelassene Steinhaufen bieten alles, was nur denkbar ist an Oberflächenformationen, Vorsprüngen, Abbrüchen, Verkantungen und Höhlungen in zahllosen Grautönen und Blauschattierungen. Genau dies, ein Ausloten von Vibrationen und Schwingungen von Räumlichkeit ist auch das Kennzeichen des malerischen Werks von Helmut Sturm, Revoluzzer der 1960er Jahre und bis heute in seiner Malerei von mitreißender Lebendigkeit.
Nahe gehängt, aber in ihrem Ausdruck völlig anders die expressiven und farbintensiven Abstraktionen von Thomas Niggl, die eher einen geologischen oder architektonischen Charakter haben. Seine Fotos zeigen irrwitzige Alltagsszenarien, Schrott, vom Zufall arrangiert, Wände mit Graffitis besprüht oder gezeichnet von verwitterten oder abgerissenen Papierfetzen: Harte Realität.
Bei Ernst Heckelmann dagegen verbirgt sich Realität hinter verwehten, nebligen Szenerien. Deutlich wird eine Art Ideal, der Rumpf eines Ozeandampfers oder, dann gemalt, eine schneebedeckte Bergformation.

Bei dem Bildhauer Gerd Jäger darf sich in den Fotos von sonnenbeschienenem schieren Fels wie in den archaischen Holzformen die hoheitsvoll-einfache Schönheit der Natur zeigen.
Von gänzlich anderer Art die Fotografien der Malerin Heike Pillemann. Hier ist sehr viel los, Menschen laufen oder sitzen an einem Tisch, wichtiges Requisit ihrer Malerei, viel Menschengemachtes steht oder liegt herum, ist gestapelt oder hat sich zu einer eigenen Ordnung im Chaos zusammengefunden. Das Licht ist diffus, pastellig, gestattet keine eindeutigen Zueinanderordnungen.
In den Bildern von Heike Pillemann ist dies alles gebannt, bleibt verborgen in einer Hintergrundschicht, vor der sich, wie vor einem Vorhang, nur einzelne gezeichnete Figuren zeigen dürfen. Sie sind Stellvertreter, in denen sich Emotionales bündeln darf.
Bei Heiko Herrmann, dessen Vorlieben für bestimmte Farbkombinationen sich in Fotos wie Bildern zeigt, darf Irrationales sein Wesen treiben. In seinen Bildern verbinden sich konstruktive Elemente mit temperamentvoll schwingenden Formen zu einem Ganzen, eine dem Verstand fremde Welt, wie auch die Fotos eher der Poesie als der Realität zuzuordnen sind.
Als ein Spielender zeigt sich auch in dieser Ausstellung wiederum Hans Haas, ein schöpferisch Experimentierender mit zum Teil aberwitzigen Materialien wie Orangenschalen, die er um einen Besenstiel gewickelt hat, oder angerissenen Kartonhälften. Aus einem Arsenal von Schnappschüssen hat er sein Lebensbild zusammenmontiert.

Helmut Rieger hat eins seiner großformatigen, mythischen Jagdbilder, eine schwarze Pinselzeichnung auf erdfarbenem Grund, gebracht. Dazu Fotos, die insofern verwandt sind, als sie die Takelage eines Segelschiffs zeigen, als dunkle Grafik gegen einen mattgrauen Himmel. Ein Skelett, das erst lebt, wenn die Segel gehisst sind und der Wind darauf steht. Dennoch eine Urform, so wie Mensch und Tier in kämpferischer Umschlingung eine Urform sind.
Wie Helmut Rieger schaut auch Andreas Bindl immer hinter das Weltgetriebe. Seinen noch oder schon wieder leeren Lagerstätten, mit wenigen Strichen gezeichnet, wurde das Foto einer wohl romanischen Aufbahrung aus Stein hinzugesellt, dem Foto alter, im Verrotten begriffener Lochziegel entspricht die Zeichnung eines im Auseinanderfallen begriffenen Ziegelturms, auf dem ein Hahn kräht. Der Mond und eine Wolke schauen zu, wie ein Mensch stürzt. Zum erstenmal öffentlich zu sehen sind Bindls Fotos von dem rußgeschwärzten Balkengerüst, das, ehe der Brand ausbrach, sein Elternhaus gewesen war, eine strenge Grafik gegen den Himmel.

Die Zeichnung, allerdings von gänzlich anderer Art, ist auch das Medium von Peter Zeiler. Schonungslos seziert er den Menschen, reißt seinen Körper auf, findet darin, tiefer und tiefer schürfend mit dem Zeichenstift, was ihn an- und umtreibt, Erotisches,. Aggressives. Die Fotos, von den Friesen an indischen Tempeln mitgebracht, drastisch bildhaft der göttlichen Zeugung gewidmet, entsprechen dem: Der Mensch in seiner Göttlichkeit und seiner Verletztheit.
Dies, das Gefangensein und Verletztsein, ist auch das Thema von Herbert Nauderer. Die in Schwarzweiß gedruckten Köpfe auf seinen Holzschnitten sind gefesselt und gebunden. Die Augen der sehr nah herangeholten Frauenporträts können verdeckt sein oder einen Strom schwarzer Tränen weinen.
Ruth Kohler fand in Chicago gewaltige Brückenkonstruktionen und Türme aus Metallgestängen, die in sich eine Ordnung tragen, aber doch, sieht man sie neben- und hintereinander, den Eindruck von Chaos vermitteln. Was ist die Wirklichkeit? In ihren expressiven Informels gibt die Malerin beidem eine Daseinsberechtigung: Zum kräftigen Pinselstrich gesellen sich sensible Farbwelten.
Um zwei Pole geht es ebenfalls bei den neuen Arbeiten von Alinde Rothenfußer: Zum einen arbeitet sie ihre Fotoimpressionen von Containerwänden aus Metall sehr locker und spielerisch mit dem Zeichenpinsel nach, so dass zu jedem Bild eine andere abenteuerliche Geschichte vom Menschen und den Geistern und Gespenstern, die ihn unsichtbar umgeben, erzählt werden kann. Zum anderen hat sie Fotos von gepressten Milchtüten, schwarz strukturiert wie ein Kirchenfenster und so den lächerlichen und den hoheitlichen Insignien des ewigen Menschheitstheaters ein hochaktuelles Gesicht verliehen.

Ingrid Zimmermann