Lothar Fischer/Tuschmalereien Baierbrunn/Solln – Die Hochschule der Künste in Berlin war über mehr als 20 Jahre, von 1975 bis 1979, seine Wirkungsstätte als Professor für Bildhauerei. Sein Werk hat einen auch architektonisch gänzlich auf seine Kunst abgestellten Platz in einem Museum in Neumarkt in der Oberpfalz gefunden, dem Ort seiner Kindheit und Jugend. Es war im Juni 2004, schicksalhaft genau vier Tage nach dem Tod des Künstlers, eröffnet worden. Daheim aber war Lothar Fischer in Baierbrunn, in seinem Haus, in dem Besucher sich staunend und bewundernd umsehen durften in einer Mischung aus Werkstatt und persönlicher Galerie, die den archaisch strengen und dennoch so lebendig wirkenden Menschenfiguren einen gebührenden Rahmen gaben. Jetzt können noch nie gezeigte Handzeichnungen von Lothar Fischer besichtigt werden im Orplid in Solln, der Partnergalerie des Ickinger Orplid, wo Arbeiten von Lothar Fischer mehrfach gezeigt worden sind. Mit diesen Tuschezeichnungen, die älteren mit schwarzer Tusche, die späteren mit Sepia, begann für den Künstler so etwas wie die Zeugung einer Figur. In einem Text von 1991 räumte er „dem Zeichnen und der Realisieren von Skulpturen gleichrangige Bedeutung“ ein. Die räumliche Vorstellung werde „über das zeichnerische Mittel der spontanen Linie ständig korrigiert und verändert“. Es sind Zeichnungen aus den Jahren 1995 bis 2002, die zu Recht jeweils zeitlich zusammengehörig gehängt worden sind, denn es lässt sich an ihnen eine Entwicklung nachvollziehen. Grundsätzlich ist zu dieser sehr intimen Werkschau zu sagen, dass es um das uralte Thema Mann und Frau geht, darum, wie sie in ihrer Körperlichkeit die unendlichen Variationen der polaren Archetypen Mann und Frau ausdrücken und wie sie interagieren, um sich zu etwas wie Vollkommenheit zusammenfinden zu können. Die frühen Arbeiten lassen die Gestalten und ihr „Dazwischen“, das Verbindende, das Trennende, das schließlich Gemeinsame, aus einem fast nervös zu nennenden Linienwerk erstehen. Die Pinselführung ist noch traditionell. Mit Beginn der Arbeit mit stark flüssiger Sepiatusche darf sich ein völlig neues Element zeigen. Nun ist warme Haut da, auch durch Ansetzen des Pinsels und langsames Verlaufen der Farbe eine Rhythmisierung über die Figur hinweg. Dass dies sogar möglich ist in einer großformatigen Arbeit beweist ein barockes Pferd mit Reiter auf einem Packpapierbogen. Die Figuren, einerseits mehr Leib und auch sinnlicher, werden dennoch reduzierter in der Form. Das „Dazwischen“, das sogar die Gestalt eines Tieres annehmen kann, verliert sich mehr und mehr. Mann und Frau beginnen Einzelwesen zu werden, gewinnen Autarkie, während geschlechtsspezifische Merkmale überperönlicher Art, das Weichere der Frauenfigur, das härtere, eckigere des Mannes, nun sein dürfen. Es hat Emanzipation stattgefunden, eine Emanzipation im Geiste. Der schließlich altersweise und dann kranke Künstler hat Sinnbilder für eine Versöhnung und die Anerkenntnis des jeweiligen Andersseins gefunden, wie sie im Lebensalltag meist noch nicht erreicht sind. INGRID ZIMMERMANN Bis 12. Dezember werktags von 9 bis 18 Uhr. Zugang durch die Augenarztpraxis. |