Kunsthaus Orplid


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Ibragimow, Doldinger, Haas
www.alinde.de
Kurzgeraffte Rundumschau

Zur Ausstellung "Künstler aus der Umgebung",
Kunsthaus Orplid in Icking



Viel zu oft wird Umgebung ja nur noch als Land mit möglichst vielen optischen Abnaschstationen verstanden. Wirklich freier Raum schrumpft da längst zur blanken Illusion. Nicht nur deshalb benötigen wir dringend Weite zum Durchatmen. Und was wäre da prädestinierter als die Kunst, um Aktionsräume, Sinnenräume und Erfahrungsräume neu zu öffnen. Gelegenheit dazu bietet
diese Ausstellung: Jeder einzelne Künstler hat dem, was das menschliche Leben in der Tiefe ist, auf ganz eigene Art sichtbare Gestalt gegeben. Natürlich bergen Gemeinschaftsausstellungen auch oft die Gefahr, die gezeigten Arbeiten über einen Kamm zu scheren oder eben an einem künstlichen gemeinsamen Faden aufhängen zu wollen. Doch dazu sind die Unterschiede der heute hier gezeigten Arbeiten zum Glück zu groß. Und bevor jetzt die böse Phrase von den vielen Köchen, die den Brei verderben, ins Gedächtnis rutscht: Erst die Vielfalt fordert uns, lässt uns keine andere Wahl, als immer wieder neu zu sehen, zu entdecken und sich zu reiben, bis sich der enge Blick weitet. Die Exponate heute hier sind in vielfältiger Hinsicht anrührend und anregend, oftmals sogar aufregend und aufreibend. Es gibt das stille, beharrliche Arbeiten genauso wie das Schnelle, Eruptive, disziplinierend zum einen, distanzierend zum anderen, und das nicht selten mit viel Humor. Da ist zum einen Herbert Nauderer, dessen Zeichnungen und Collagen zwischen Abstraktion und Figuration an ausgelaufene Erinnerungen und manifestierte Phantasien erinnern.
Das, was englischsprachige Künstler “tongue in the cheek” nennen, zeichnet Endy Hupperichs Bilder aus: populär-monumentale Klischees voller Doppelbödigkeit, zwischen Fiktion und Realität, Dichtung und Wahrheit, aber auch zwischen Humor und Ernst.
Affirmative Feiern des Plakativismus zeichnen auch David Blitz´ Holzkästen aus, aus denen Led-Leuchten durch den Siebdruck auf Plexiglas blitzen. Ein freches Konglomerat aus Pop, Trash und Cultural Studies mit Widerhaken, denn Blitz zeigt uns nicht nur das Derivat der Werbetafel, sondern unsere Welt auch als Appendix der Unterhaltungsindustrie. Eine Verbeugung dann vor dem erst kürzlich verstorbenen Eurasburger Walter Raum: Seine Bilder sind ein Manifest der elementaren Kunst und der Individualität und lehren uns, den Blick zu schärfen auf Ungebändigtes und Ungezüchtetes zwischen Verlockung, Drang, Pakt, Innehalt und Entscheidung. Hans Haas indes spielt mit Randbelichtungen: Ob Röntgenfolien oder überzeichnete Fotocollagen, immer wird bei ihm entlang der Risskanten des Realen, zwischen beseelten Klischeezitaten und künstlerischer Vision ein fröhlicher Twist getanzt. Ruth Kohlers extra für diese Ausstellung angefertigten Bilder flirren und pochen sich dafür in die Wahrnehmung: Inspiration dafür waren die Ansichten vorbeifahrender Züge hinter metallenen Streben, und ihre extrem dynamischen Werke zeugen von der flirrenden Zügigkeit unserer Welt. Rauschbereitschaft in Emö Simonyis barockhaften, farbintensiven, spannenden und lebhaft figurativen Gemälden: Hier winden und verknoten sich die Satyrn und die Chimären mit und ohne Ziegen, biegen sich die Früchte und die Freuden. Heino Naujoks gelingt mit seinen entmaterialisierten Bildern etwas Seltenes: eine zu größter Kraft reduzierte Malerei. Starke Farbklänge, mutige Setzungen und berstende Dynamik dann bei Heiko Herrmann. Seine Bilderwelt ist überraschend: unerreicht die fast quietschende Farbigkeit, die jedoch niemals in die Nähe plumper Buntheit gerät. Spontan ist seine Kunst obendrein, hoch emotional und gewagt. Bilder als Lustmacher, an denen sich der Blick reibt und der Raum verdichtet.


Alindes jüngste Zeichnungen, auf denen allerlei Wesen ihr Un-Wesen treiben, zeugen von der Ästhetik des Ungekünstelten, Unverbildeten, Wilden, Direkten, Echten, Spontanen und deshalb besonders Authentischen. Mit wilder Gestik wuseln und schreien sich auch Peter Zeilers kaltradierte Figuren durch die Hintergründelei hin zur Assoziation. Heinz Haberkorn schenkt uns einen Blickwechsel: Wo sonst die Farbe strudelt, kreiselt, implodiert und explodiert, zeigt er uns neuerdings auch Fotografien, die durch Übermalungen neue Ebenen öffnen, während man in Gerd Jägers Werken Aktion und Reaktion fast körperlich spürt und Andreas Bindl in seinen schwarz-weiß-schattierten, empfindsam expressiven Bildern Wanderungen der Poesie präsentiert. Auch Christoph Drexlers Bilder sind Anblicke und Ansichten, die eine ganz eigene, stille Magie ausstrahlen. Metareale Ansichten zwischen den Wirklichkeiten, abseits jeglicher Diffusität. Natürlich spielt auch hier Licht eine große Rolle, denn Licht allein kann Blicke führen, kann einfach nur Farbe sein oder aber symbolisch auf Inhalte verweisen. Das zeigen auch die Arbeiten von Elisabeth Heindl, und sie versteht es mit wenig Mitteln, etwas monumental und raumgreifend erhaben erscheinen zu lassen. Auch Christoph Brechs Fotografien spielen mit dem Licht und schärfen so den Blick hin zu Gegenwelten unserer Wahrnehmung. Auch die Grundlage der Bilder von Inge Doldinger sind selbst fotografierte Aufnahmen, hier aus Manhattan. Die Doppelbelichtungen und Farbreize aber ver- und entmaterialisieren teilweise das Bild, und der Moment wird zum hyperrealen Eindruck. Walter Tafelmeiers genuine Bildsprache indes zeugt von Geschlechtern, Gedanken und Gefühlen zwischen expressionistischer Aggressivität und Agonie, und oft ist es Eros, der als Antrieb hinter allem steht und sich dem Verfall entgegenstellt. Helmut Rieger bringt uns dann endgültig zurück zu den Urthemen, die uns alle ausmachen: Geburt, Tod, Kampf und Liebe, in gestisch - figurativem Expressionismus. Bildende Kunst, das zeigt sich in dieser Ausstellung deutlich, ist kein isoliertes Betätigungsfeld, sondern zutiefst mit der Gesamtheit des menschlichen Daseins verwoben. Und dies macht den himmelweiten Unterschied: Wer sich eine Weile auf die Bilder der Künstler unserer Umgebung einlässt und der Assoziation ein Spiel gestattet, wird wahrnehmen, wie sich neue Szenerien entfalten. Bilder, die für uns nicht nur den Blick weiten, sondern uns die Luft zum Atmen zurückerobern.


© Jóhanna Sigurdardóttir M.A.