Märchenhafte Miniaturen oder wo ein Schnitt kein Ende, sondern ein Anfang ist Zur Ausstellung "Collagen" von Cornelia von Seidlein , Orplid in München Seien wir ehrlich - Cornelia von Seidlein überhaupt noch vorzustellen, hieße nichts anderes als Eulen nach Athen zu tragen. Und doch ist es etwas ganz Besonderes, dass die bekannte Illustratorin und Zeichnerin hier ausstellt und allemal wert, ein paar Zeilen darüber zu verlieren. Denn immerhin handelt es sich um noch nie zuvor öffentlich gezeigte Collagen der Münchner Künstlerin, die derzeit im Orplid in der Türkenstraße zu sehen sind. Doch mal ganz abgesehen vom Reiz dieser "Weltpremiere", Cornelia von Seidlein holt hier den klassischen Scherenschnitt und die Kunstform der Collage aus ihrem Schattendasein heraus und verdichtet sie zu vielschichtigen, märchenhaften Miniaturen. Dass Cornelia von Seidlein bei den hier gezeigten Arbeiten nicht im Auftrag, sondern aus reiner Passion heraus gefertigt hat und dabei ihrem Spieltrieb genauso wie ihrem Kunstsinn freien Lauf ließ, spürt man bei jeder Collage bis ins Detail hinein. So entstanden lyrisch-bildhafte Panoptiken, die sie hier aus Papier gezaubert hat, mit Schnipseln, Farben, Kartonagen und Tapeten. Collagen, mit Kopf, Herz und Hand liebevoll gefertigt, die den Betrachter zurück in seine Kindheit führen und in denen sich weniger der Abglanz einer versunkenen Welt spiegelt, sondern das Zauberhafte einer fantastischen (Bild-)Welt aufblüht, in der für das Verträumte ebenso Platz ist wie für das Skurrile und Surreale. Ihre Werke sind hochfein gearbeitete Schnappschüsse aus kollektiven Sehnsüchten und Wünschen. Man trifft darin auf Freiheiten, Absurditäten des Alltags und Hirngespinste, die Cornelia von Seidlein aus dem Schnürboden unserer Seele mit freundlichem Augenzwinkern ans Tageslicht bringt. Sie führt uns mit leichter Hand fantastische Figurationen vor, gesponnen, geschnitten und geklebt aus Konträrem, aus Groteskem, aus Ironischem, Kantigem und Feinem. Voller Unschuld schmiegen sich die kleinen Welten und Gestalten ans Auge des Betrachters und ziehen ihn in seinen Bann. Denn in einer realen Welt, deren Katastrophen man oft machtlos gegenüber steht, kann das Andere, das Bessere, das Wärmere oder das Fantastische zumindest noch geträumt oder gedacht werden. Cornelia von Seidlein will mit ihrer Kunst den grauen und oft eindimensionalen Alltag nicht zerstören, sondern sorgsam dekonstruieren, um ihn dann ebenso akkurat zu rekonstruieren - nur eben ganz anders. So sind ihre Collagen kleine Exerzitien der Fantasie, vor allem aber kleine, vielschichtige Trost-, Wohlfühl- und Erbauungsbilder, in denen der Alltag in Zuversicht, Humor und lyrisch-bildhafte Wärme verwandelt wird, ohne dabei die spitze Schere zur stumpfen Waffe zu machen. In ihren Collagen zeigt sich Cornelia von Seidlein als helle Träumerin, bildende Poetin, die die Farben und Formen des Papiers so lange anblickt, bis sie zurückblicken und die Komplizenschaft zwischen Ernst und Unernst, Träumerei und Wirklichkeit in seiner neuen Form enthüllt wird. Vor allem aber ist sie eine eigen-sinnige Künstlerin gegen den herrschenden Instant-Kunstbetrieb, die unsere oft verkümmerten Hirngespinste auf Trab bringt und uns schmunzeln, träumen und fühlen lässt. Augenöffnende Surrealitäten und ein Panoptikum von kantigen Miniaturwelten, in denen ein Schnitt kein Ende, sondern ein Anfang ist. Text: C. J. Koestler |